Nur Sudern geht nicht

Das blau-braune Wahldesaster vom 24. April ist ein Schock.  

 

Ein Schock, der so tief sitzt, dass die SPÖ-Parteispitze aus Angst, es könnte sie insgesamt zerbröseln, bisher noch keine Konsequenzen gezogen hat. Wie viele Schocks es noch brauchen wird, damit die vielgeforderte Veränderung endlich in Gang kommt, weiß ich nicht. Sicher ist aber, ein weiteres Mal kann und wird die SPÖ einen Schock nicht überleben.

 

Das Mantra des stillen Durchhaltens wird sich trotz der noch so lautstarken Rücktrittsrufen aus der Parteibasis wahrscheinlich bis zum angekündigten Parteitag im November fortsetzen. Aber auch wenn die Uhr fünf vor zwölf zeigt, so dürfen wir uns nicht von dem medienöffentlichen Druck, von den parteipolitischen Querschüssen, von den sich Hände-reibenden-Oppositionellen, herunterziehen lassen - egal, wie rasend schnell sich das sinkende Schiff der SPÖ dem Meeresgrund nähert. 

Wir müssen jetzt zusammenrücken und unser unsere Stärken beweisen, auch wenn es die SPÖ ihren Mitgliedern derzeit nicht wirklich leicht macht, diese Partei noch auf den richtigen Kurs zu bringen. Wir müssen beweisen, dass wir unter Sozialdemokratie etwas anderes verstehen, als uns die SPÖ derzeit mit ihrer Auffassung von Flüchtlings-, Beschäftigungs- und Bildungspolitik, mit dem mühseligen Kampf für Verteilungsgerechtigkeit, vorlebt. Genau dort liegen aber unsere Chancen vergraben. Ja, ich weiß, dass Koalitionsarbeit schwierig ist, es gehören nunmal immer zwei dazu, aber die SPÖ hat sich selbst in ihre aussichtslose Lage hineinmanövriert. Dafür verantwortlich zeichnet nun mal der Kapitän, ja, aber die Partei sind nicht nur ein paar wenige Köpfe in Wien, sondern wir alle. Jetzt liegt es an uns, sie wieder auf Kurs zu bringen. 

 

Ein ordentlicher Schepperer, um in Bewegung zu kommen?

 

Muss es einen ordentlichen Schepperer geben, um in Bewegung zu kommen? In dieser Theorie sahen sich manche vielleicht bestätigt, als das erste Ergebnis der Bundespräsidentenwahl auf dem Tisch lag. Nur fürchte ich, dass uns ein weiterer Schepperer teuer zu stehen kommt. Ich kann mich noch erinnern, wie ich damals in die Sozialistische Jugend (SJ) gekommen bin. Wütend über die neoliberale Zerstörungspolitik von Blau-Schwarz, über die Notlösung Werner Faymann als Bundeskanzler, über den Zwist mit dem Koalitionspartner und über das unerbittliche Festhalten am Parteigehorsam, dachte ich mir, so kann es doch nicht weitergehen. Also stand ich auf - motiviert von dem damaligen Kampagnenspruch der SJ Wien "Die Mehrheit der Rechten brechen! Schwarz-Blau-Orange verhindern" - und fing an, mich in der SJ und in der SPÖ zu engagieren, statt mich von dem Mob der Meute, die nur alles schlechtgeredet und gesudert haben, herunterziehen zu lassen. Damals haben sich sehr viele Menschen politisch aktiviert. Nur jetzt wird es nicht genügend NachahmerInnen geben, die sich so wie ich - vom Schepperer motiviert - für die Veränderung der SPÖ persönlich einsetzen werden. Das Pendel wird in die andere Richtung ausschlagen. 

 

Aus dem Dunst der rechten Rülpser herauskämpfen

 

Mir graust davor, dass plötzlich so viele kluge Polit-AnalystInnen auf meinem Bildschirm unterwegs sind, die im Netz nichts Besseres zu tun haben, als sämtliche Facebook- und Twitter-Chroniken mit ihren obskursten Theorien darüber, warum das, was die FPÖ macht, legitim ist, zu verseuchen. Jene, die sich kritisch über den blauen Erdrutschsieg eines FPÖ-Hofers äußern, sind alle RealitätsverweigerInnen, verhalten sich undemokratisch und bekommen im selben Atemzug wüste Untergriffigkeiten aufgetischt. Jene, die sich für eine soziale Politik, für eine pluralistische, aufgeklärte Gesellschaft, frei von religiösen Dogmen und für demokratische Werte wie Solidarität, Gerechtigkeit und Chancengleichheit einzusetzen versuchen, seien Schuld an allen vergangenen roten Wahldesaster und an der Zerrissenheit in der Gesellschaft. 

 

Wer versucht, sich aus dem Dunst der rechten Rülpser herauszukämpfen, wird einen erbärmlichen Erstickungstod erleiden. 

 

Aber dumpfen Rechtspopulisten und aggressiven Querulanten dürfen wir nicht unseren kommunikativen und gesellschaftlichen Raum überlassen. Auch wenn es dafür notwendig sein wird, sich mit jenen auseinanderzusetzen, die die FPÖ wählen. Sie sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir können sie nicht mehr länger ignorieren, einfach abtauchen und warten bis es vorbei ist. Ebenso können wir nicht mehr im eigenen Sumpf verharren und dabei zusehen, wie eine SPÖ in den Abgrund versinkt. Und wenn der Kapitän, das Schiff nicht vor dem Kentern bewahren kann, wird auch eine Personaldebatte unerlässlich sein. Eine, die vielleicht nicht auf der Medienbühne ausgetragen werden sollte.  

 

Wir müssen es selbst in die Hand nehmen

 

Ein Warnsignal muss es aber geben. Da wird es mit dem Wechsel an der Spitze nicht getan sein, denn es braucht mehr als nur rollende Köpfe, und auch mehr als eine inhaltliche Profilschärfung. Je mehr Mitglieder sich enttäuscht von der SPÖ abwenden, die Personaldecke schrumpft und die Verdrossenheit über Politik wächst, desto mehr wird es vielleicht den Rechten in die Hände spielen, desto mehr wächst aber auch die parteilose Gesellschaft.  

 

 

Dort könnte man ansetzen. Die Menschen sind vom Lagerdenken müde geworden. Sie organisieren sich nicht mehr in Parteien, sie kommentieren das verrückte Polit-Treiben höchstens gemütlich vom Sofa aus. Dabei sollten wir die Chance nutzen, sie zu motivieren, es selbst in die Hand nehmen zu können. Die Partei muss sich links zur Mitte hin öffnen, WählerInnen ermöglichen, sich ihren Raum zurückzuerobern und ihr Umfeld aktiv mitzugestalten. Liebe WählerInnen, sonst werden es die Strache-Anhänger und Co´s für euch tun. Da reicht ein Kreuzerl am Wahlzettel nun mal nicht mehr aus. Steht auf, geht auf die Straße heraus und zeigt, wie ihr euch eine soziale, nachhaltige Politik für die Menschen vorstellt. Redet mit uns, statt uns zu verurteilen, wir gehen jedenfalls auf euch zu. Aber nur sudern, bei Wahlen abstrafen, und selbst nicht aktiv werden, ist halt zu wenig. 

 Auch wenn es schwierig sein wird, so manche Filterblase zum Platzen zu bringen, auch wenn die meisten von uns - so wie ich auch - als kleine MitarbeiterInnen und SympathisantInnen keine Berge in Bewegung setzen können, so liegen unsere Stärken im Dialog mit den Menschen, im Gemeinschafts- und Solidaritätsgefühl und in unserer Überzeugung für das Gute. Gemeinsam werden wir das schon schaffen.  

 

Ich werde mich auf jeden Fall weiterhin gegen jegliche Versuche, die Stimmung in der Gesellschaft zu vergiften und sie zu spalten, vehement und mit aller Kraft wehren. Auch möchte ich versuchen, mich dort wo ich kann und worin ich gut bin, in den Modernisierungsprozess der SPÖ einzubringen, weil es nur mit Raunzen und Sudern nicht besser werden wird. Wer die Welt bewegen will, sollte erst sich selbst bewegen, um mit den Worten von Sokrates abzuschließen. 

 

In diesem Sinne erinnere ich auch nochmal an den Fackelzug der SJ Wien. Treffpunkt wie immer am 30. April, ab 20.00 Uhr bei der Oper. FreundInnenschaft!

 

 

 

 

 

 

 

Bild "Ampel": commons.wikipedia "Balou46" CC-BY-SA 4.0

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