Die unsinnige Diskussion über Rot-Blau

Jeder hat vielleicht schon mal ein flachsiges Stück Fleisch erwischt, auf dem man so lange herumkaut, bis nur noch zache Fleischreste übrig bleiben. So ähnlich verhält es sich derzeit nicht nur mit wichtigen Regierungsvorhaben, die prinzipiell paktiert sind, aber angesichts der Koalitionsscheidung wieder in der Warteschleife hängen. Ähnlich mühselig wird auch der Wahlkampf werden, in dem sich die antretenden Parteien weiterhin den Schwarzen Peter zuschieben, neue Grauslichkeiten erfinden und alles tun werden, um dem anderen ja keinen Erfolg zu gönnen. Es herrscht das Prinzip „Survival of the fittest“, der Naturzustand ist ausgerufen. 

Tja, und mitten in diesem Naturzustand steckt leider auch die SPÖ. Als Getriebene, auf der Suche nach einer neuen Parteilinie, auf der Suche nach Antworten, wie man sich in der Wahlauseinandersetzung positionieren wird, um auf der einen Seite die traditionellen AnhängerInnen nicht zu verlieren, auf der anderen Seite den Druck des WählerInnenverlustes mit neuen, jungen politischen Menschen zu kompensieren. 

 

Die Diskussion über die Rot-Blau bringt überhaupt nichts 

     

Dabei ist etwas geschehen, was hätte nie passieren dürfen. Wiedermal überschattet die Koalitionsfrage mit der FPÖ jegliche Diskussionen über die Neugestaltung der SPÖ, von Wien bis Vorarlberg. Bei allem Respekt vor jenen GegnerInnen der Vranitzky-Doktrin, die argumentieren, dass diese angesichts der veränderten Kräfteverhältnisse ihre Gültigkeit verloren hätte. Aber diese FPÖ, die im Jahr 2017 einen Bundeskanzler namens Heinz-Christian Strache an die Spitze Österreichs stellen will, wird sich wegen eines SPÖ Kriterienkatalogs und einer Urabstimmung durch ihre Mitglieder bestimmt nicht verändern. Wieso auch, Heinz-Christian Strache wird in dieser Wahlauseinandersetzung der lachende Dritte sein. 

 

Der Teufel steckt im Detail 

 

Und wer fürchtet, dass man ohne FPÖ nicht mehr den Kanzler stellen wird, dem sei gesagt, dass der Feind wo ganz anders steht. Sebastian Kurz erhält als neuer, junger dynamischer VP-Obmann, der in diesem Land alles umkrempeln will, sehr hohe Zustimmung bei den WählerInnen. Er verkörpert die Antithese zum verstaubten Politiker-Image. Wenn man aber seine vergangenen Auftritte analysiert - Stichwort Schließung der Balkanroute, Kürzungen von Sozialleistungen, Hartz-V Modell für Österreich - trennt ihn nicht viel von einer Programmtik ála FPÖ, nur eben mit einem sanfteren, diplomatischeren, mehrheitsfähigerem Ton. Er agiert wie der „Wolf im Schafspelz“, macht klassische FPÖ-Themen in der Öffentlichkeit geschickt salonfähig und spricht von Steuerentlastungen, die in Wahrheit Steuererhöhungen bei Mieten, Lebensmittel, Arbeitseinkommen und Pensionen bedeuten. Meiner Meinung nach ist das viel gefährlicher als eine offensiv hetzende FPÖ. 

 

Vertrauen der GenossInnen nicht auf´s Spiel setzen

 

Anstatt aber progressiv dagegen zu halten, hat sich die SPÖ mit der Frage, wie sie es denn mit der FPÖ hält, leider total selbst karniefelt. Was wirklich absurd erscheint, denn wie kommen wir als traditionell antifaschistische, antirassistische und pluralistische Bewegung dazu, uns von rechten Parteien in Österreich vorgeben zu lassen, mit wem wir in Zukunft zusammenarbeiten wollen??? Wenn die SPÖ auf Bundesebene Ja zur FPÖ sagt, werden wir nicht nur unsere Glaubwürdigkeit im Wahlkampf verlieren, sondern, puh, dann werden die roten Jugendorganisationen und ihre AnhängerInnen die nächsten Monate lang nichts anderes zu tun wissen, als die Parteizentrale zu besetzen. Und das Vertrauen dieser GenossInnen zurückzugewinnen, wird weitaus schwieriger sein, als Sebastian Kurz bei den ersten großen Presseinterviews und TV-Debatten zu entzaubern. 

 

Viel wichtiger wäre es, jetzt die Fahnen hochzuhalten, klarzumachen, dass nur die Sozialdemokratie für eine soziale, verantwortungsvolle Politik steht, für eine pluralistische, aufgeklärte Gesellschaft, frei von fanatischen Dogmen und für demokratische Werte wie Solidarität, Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Ich werde mich auf jeden Fall weiterhin gegen jegliche Versuche, die SPÖ zur FPÖ zu drängen, mit aller Kraft wehren. 

 

Ich lass mir die Sozialdemokratie nicht kaputt machen

 

Auch möchte ich versuchen, mich dort, wo ich kann und worin ich gut bin, im Nationalratswahlkampf einzubringen (bin auch Kandidatin im Regionalwahlkreis Wien West 16., 17., 18. 19.), ohne dabei unsere Traditionen aus den Augen zu verlieren. Mir taugt es nämlich, am 1. Mai mitzumarschieren, ArbeiterInnenlieder zu singen, Blauhemd zu tragen, gegen Antifaschismus, Kapitalismus und Klerikalismus aufzutreten. Ich lasse mir meine SPÖ jedenfalls nicht kaputt machen, Wahlkampf hin oder her. Und schon gar nicht von irgendwelchen Kannibalen, die ihre größte Freude daran hätten, wenn die SPÖ nach dieser Wahlauseinandersetzung als zaches, ausgespucktes Fleischstückchen übrig bleibt. Diesen Gefallen werden wir niemandem tun ;). 

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